Fragt man Eltern, was sie sich für das Leben ihrer Kinder wünschen, antworten viele: ein glückliches Leben. Das ist ein hehres Ziel. Es klingt bescheiden, ist es aber nicht. Die meisten Leben haben glückliche Momente, glückliche Lebensphasen, ansonsten ist man aber schon gut dran, wenn man mit seinem Leben zufrieden ist.
Für das Glück unserer Kinder, ihr weitgehend unbeschwertes Aufwachsen, fühlen wir Eltern uns verantwortlich- das sind wir in gewissem Maße auch. Wir beschützen sie, versorgen sie, hören ihnen zu, wir sind am Anfang ihres Lebens- und oft weit darüber hinaus, ihre verlässlichsten Bezugspersonen.
Dennoch oder auch gerade deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Kindern auch unbequeme Situationen, Krisen, Probleme zumuten. Es gibt so vieles, was im Laufe eine Kinder- und Jugendlebens problematisch ist, leidvoll, beängstigend:
Die Eingewöhnung bei der Tagesmutter oder im Kindergarten, mit ihrer ersten Trennung von den Eltern, der riesengroße Bereich Schule mit seinen Anforderungen an Leistung, soziale Kompetenzen, Selbstorganisation, das Finden und Halten von Freundschaften, Trennungen und Abschiede durch Scheidung der Eltern oder Tod, zum Beispiel der Großeltern…
Wir müssen unseren Kindern das Handwerkszeug mitgeben, Krisen durchzustehen und dabei mit gutem Beispiel vorausgehen.
Ein Streit mit einer Freundin oder einem Freund ist, auch, wenn er heftig verläuft, nur selten ein Grund, eine Freundschaft aufzugeben. Man lernt daran vielmehr, eine eigene Position zu verteidigen und eine Situation auch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Das Kind, erfährt, dass Streits zu klären sind und dass jedes gegenüber Seiten hat, mit denen man gut klarkommt, die auch der eigenen Meinung entsprechen und solche, die vom eigenen Denken und Fühlen abweichen. Wir als Eltern sollten zuhören, uns aber mit übermäßigen Wertungen der Situation zurückhalten. Wir kennen immer nur eine Position, nämlich die unseres Kindes.
Viele Kinder berichten, sie fühlten sich von ihren Freundinnen und Freunden ausgenutzt, weil das ihnen von ihren Eltern vermittelt wurde. Diese sind der Ansicht, das Kind investiere mehr in die entsprechende Freundschaft, als es erwidert bekommt. So betrachten Kinder ihre Freundschaften nicht. Was sie aus einer Freundschaft ziehen, können wir von außen nicht beurteilen.
Manchmal kündigt eine Freundin oder ein Freund unserem Kind die Freundschaft. Das ist schmerzhaft, ist aber auch eine Übung für manch andere Trennung, die unser Kind in seinem zukünftigen Leben erwartet. Jetzt erlebt das Kind- das macht es leichter- diese schmerzliche Erfahrung im geschützten Rahmen seiner Familie.
Das Thema Konflikte in Freundschaften ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir unseren Kindern auch Krisen zumuten sollten. Konflikte mit Freundinnen und Freunden sollten nur selten, in absoluten Ausnahmen, ein Grund sein, zum Beispiel die Schule zu wechseln. Es erfordert Mut, einen Konflikt dieser Art durchzustehen, aber diesen Mut brauchen unsere Kinder, um den Herausforderungen des Lebens standzuhalten.
Ich bekomme sehr oft Anfragen nach Begleitung von Kindern in Krisensituationen wie Umzügen mit einem kompletten Wechsel des Umfeldes, Scheidungen oder dem Tod der Großmutter oder des Großvaters. Es gibt durchaus Kinder, die auf solche Veränderungen der Lebensumstände so heftig reagieren, dass sie psychotherapeutische Unterstützung benötigen. Das ist aber selten. Auf einen Verlust mit Tränen, Trauer, Rückzug zu reagieren, ist völlig normal. Wir Eltern müssen es nur aushalten, unsere Kinder in diesem Zustand zu sehen. Das ist nicht leicht und schmerzt uns, aber viel auffälliger wäre es, wenn die Kinder keine Reaktion zeigen würden.
Niemandem, den wir lieben müssen wir so oft beim vermeintlichen Scheitern zusehen, wie unseren Kindern. Aber Scheitern ist im gesamten Leben eines Kindes und Jugendlichen ein wichtiger Motor, Dinge anders, besser zu machen.
Das beginnt schon sehr früh: der Säugling steht im 4- Füßer- Stand, bewegt ein Knie nach vorne ohne einen Arm zu bewegen und fällt auf die Nase- immer wieder und so lange, bis er heraus hat, dass man den entgegengesetzten Arm mit dem Bein gleichzeitig bewegen muss, um unbeschadet zu krabbeln. Das lernt das Baby ohne unser Zutun. Wir schauen dabei nur, dass es diese Erfahrung eher auf einem weichen Teppich, als auf hartem Fliesenboden macht. Auch das bedeutet Elter-Sein: das Kind auch negative Erfahrungen machen lassen, Misserfolge zulassen und mit dem Kind besprechen und aushalten und dadurch ihre Härte abpuffern.
Wir alle wissen, wie vielen Herausforderungen man sich im Leben stellen muss. Die Zeit, in der wir schützend die Hand über unsere Kinder halten können, ist kurz. Wir sollten sie nutzen, um ihre Tränen zuzulassen und ihnen zuzuhören, ihnen Mut zuzusprechen und Zuversicht. Lange könne wir für sie Ansprechpartnerinnen und -partner bleiben, aber unsere Funktion ist nicht, ihnen jede Schwierigkeit aus dem Weg zu räumen. Damit würden wir ihr wachsen, ihr Erwachsen- Werden erschweren. Wir sollten auf ihre Stärke vertrauen und ihnen das Leben zumuten.
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